Wenn das Arbeitspensum immer weiter zunimmt, wenn es einfach nicht mehr geht – dann entsteht Stress. Was hier aus der Balance gerät, ist das Verhältnis zwischen Anforderungen und Ressourcen. Und das kann direkte gesundheitliche Folgen haben – beispielsweise Schlafstörungen, Erschöpfungszustände, eine gesteigerte Reizbarkeit oder Kopfschmerzen. Langfristig können psychische Fehlbelastungen außerdem die Leistungsfähigkeit einschränken.
Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass psychische Fehlbelastungen am Arbeitsplatz zugenommen haben – das bestätigen auch Beschäftigtenbefragungen.
Dies ist durchaus alarmierend. Denn Stress ist oftmals nicht nur der Grundstein für körperliche, sondern auch für viele psychische Erkrankungen. Dabei wirken grundsätzlich mehrere Faktoren zusammen, sowohl direkt bei Betroffenen als auch in deren Umwelt.
Die Routineauswertungen der gesetzlichen Krankenversicherungen zeigen, dass die Bedeutung psychischer Erkrankungen, vor allem von Depression und Angststörungen, in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen hat. Mittlerweile sind sie neben den Muskel-Skelett-Erkrankungen die zweithäufigste Ursache für eine Krankschreibung. Aber: Ob in absoluten Zahlen heute tatsächlich mehr Menschen an psychischen Erkrankungen leiden als in der Vergangenheit, das lässt sich noch nicht sicher feststellen.
Nichtsdestotrotz: Psychische Probleme sind der Hauptgrund für eine krankheitsbedingte Frühberentung. Brisant ist dabei das Alter: Im Vergleich zu anderen Diagnosegruppen treten Berentungsfälle aufgrund von psychischen Problemen vergleichsweise früh ein – so liegt das Durchschnittsalter derzeit bei 48,3 Jahren.

Stress und psychische Belastungen können beeinflusst werden. Die folgenden Faktoren sind hier von Bedeutung:

  • hohe Arbeitsdichte, also hohe Quantität und Komplexität von Arbeitsaufgaben in Verbindung mit engen Zeitvorgaben
  • hoher Leistungsdruck, ebenfalls in Verbindung mit engen Zeitvorgaben, oft in Verbindung mit Überstunden
  • geringer Handlungsspielraum – wenig Einfluss auf die Bearbeitung der eigenen Aufgaben
  • hohe Verausgabung bei gleichzeitig nicht ausreichender Anerkennung, fehlende Wertschätzung
  • ungenügend gestaltete Arbeitsabläufe und fehlende oder schlechte Arbeitsmittel
  • unzureichende berufliche Qualifizierung
  • mangelhafte soziale Arbeitsbedingungen (Konflikte, ungünstiges Führungsverhalten, wenige wechselseitige Unterstützung)
  • Mehrfachbelastung von Arbeit, Familie oder anderen Lebensbereichen


Was außerdem belastet: Fusionen, Produktionsverlagerungen und sonstige Umstrukturierungen lassen die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes mitunter zweifelhaft erscheinen.


  • Arbeitshetze: Jeder Zweite fühlt sich bei der Arbeit sehr häufig oder oft gehetzt.
  • Arbeitsintensivierung, Leistungsverdichtung: 63% der Beschäftigten müssen über Jahre hinweg immer mehr Arbeit in der gleichen Zeit bewältigen.
  • Ständige Erreichbarkeit: 27% müssen auch außerhalb ihrer Arbeitszeit für ihren Arbeitgeber erreichbar sein.
  • Freizeit-Arbeit für den Betrieb: 15% erledigen sehr häufig oder oft auch außerhalb der Arbeitszeit Aufgaben für ihren Betrieb.
  • Probleme mit dem Abschalten nach der Arbeit: 34% fällt es schwer, nach der Arbeit abzuschalten.
  • Dauerpräsenz beruflicher Probleme: 37% müssen auch nach Feierabend an Schwierigkeiten im Job denken.
  • Überstunden und Arbeitshetze: 20% leisten 10 oder mehr Überstunden pro Woche.
  • Krank zur Arbeit: 49% sind innerhalb eines Jahres wiederholt auch dann zur Arbeit gegangen, wenn sie sich „richtig krank fühlten“.


Unternehmen können in drei Handlungsfeldern aktiv werden, um die psychische Gesundheit ihrer Belegschaften zu stärken:


Fehlbelastungen vermeiden

Ein bedeutender Faktor bei der Entstehung psychischer Probleme sind Fehlbelastungen. Hier kann gegengesteuert werden – mit der richtigen Arbeitsorganisation und Personalführung. Dazu gehören regelmäßige Analysen (Gefährdungsbeurteilungen, arbeitsmedizinische Daten, Mitarbeiterbefragungen etc.) und eine fortlaufende Verbesserung und Anpassung der Arbeitsorganisation. Hierzu existiert eine Reihe von Verfahren, die jeweils an die Bedingungen vor Ort angepasst werden müssen.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat eine Sammlung nützlicher Instrumente in einer Toolbox zusammengestellt, siehe:
www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-Praxis/Handlungshilfen-und-Praxisbeispiele/Toolbox/Toolbox.html

Ressourcen stärken

Besonders gefährdet ist, wer bei der Organisation des Alltags Probleme hat und nur schwer Grenzen für sich selbst ziehen kann. Unternehmen können ihren Beschäftigen hier Hilfestellungen bieten, beispielsweise indem sie Informationen, Schulungen oder Trainings anbieten. Auf diese Weise können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lernen, eigenver-antwortlich mit ihren Ressourcen und damit letztlich auch mit ihrer Gesundheit umzugehen. Helfen können hier beispielsweise Seminare zum Thema Stress- oder Zeitmanagement, Resilienz-Training sowie Coaching- oder Supervisions-Programme. Und auch die Führungskräfte sind gefragt: Ein kritischer Blick auf das Verhältnis zwischen Arbeits- und Zeitdruck sowie neuen Arbeitsaufträgen, die Wahrung von Selbstbestimmung und Beteiligung der Beschäftigten und ein generell transparenter Führungsstil sind dabei nur einige mögliche Ansatzpunkte.

Betroffene unterstützen

Wenn Beschäftigte aufgrund einer psychischen Erkrankung längere Zeit abwesend waren, können Unternehmen sie bei der Rückkehr an den Arbeits-platz unterstützen. Einen guten Rahmen dafür bilden die Regelungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement. Hier ist entscheidend, dass die innerbetriebliche Kommunikation zu einer Enttabuisierung psychischer Erkrankungen beiträgt – so werden Betroffene gar nicht erst stigmatisiert oder ausgegrenzt.

Im Rahmen des Projektes „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – psyGA“ wurden ein Vielzahl von Handlungshilfen für Beschäftigte, Führungskräfte, Betriebs- und Personalräte und für Unternehmen entwickelt, siehe: psyga.info.

Ein professionelles Stressmanagement ist ein notwendiger Bestandteil der betrieblichen Personalpolitik und unverzichtbar, um für eine hohe Qualität und Effizienz der Prozesse und Abläufe zu sorgen. Auf der Kostenseite können damit die Arbeitskosten reduziert, die Produktivität gesteigert werden – der proaktive Umgang mit Stress lässt sich so direkt ablesen. Eine hohe Qualität der Arbeitsorganisation und der Personalführung sorgt bei Ihrer Belegschaft für mehr Motivation und Leistungsfähigkeit. Auch das Zulassen von eigenverantwortlichem Arbeiten kann die Basis für Innovation und damit ein nachhaltiges Wachstum sein. Das chronische Ungleichgewicht zwischen gewachsenen Anforderungen und den zur Verfügung stehenden Ressourcen sollte auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und alternden Belegschaften mehr Bedeutung erfahren. Frühzeitige Interventionen im Umgang mit Stress helfen und sollten schon bei den Auszubildenden und jüngeren Beschäftigten ansetzen. Schließlich sind Unternehmen, die die psychische Gesundheit professionell managen, auch gleichzeitig attraktive Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt. Ein Grund mehr für höheres Engagement in der Förderung der psychischen Gesundheit.